Enthüllungsjournalist verhaftet
Peratovic durchleuchtete Clique um Staatspräsident Stipe Mesic
Besser als mit Zeljko Peratovic kann man Kroatien kaum kennenlernen. Alle zwei, drei Meter wirft jemand dem bekannten Journalisten einen Gruß zu. Der Verleger Slavko Goldstein, der Soziologe Slaven Letica, der Sohn des weltberühmten Bildhauers Ivan Mestrovic und schockweise Parlamentsabgeordnete: Die Intimität hat allerdings ihre Kehrseite. Ende Oktober bekam
Peratovic Besuch von acht Polizisten. Es bestehe der "Verdacht auf Geheimnisverrat", bedeutete das Kommando dem verblüfften Familienvater. Der Trupp durchsuchte die Wohnung, griff sich die Laptops, beschlagnahmte seine Dokumentation und nahm
Peratovic mit zum Verhör. Auch dabei ging es vertraut zu, erzählt
Peratovic. "Wenn wir dich nicht hätten", habe ihm einer der Polizisten gesagt und ihm gönnerhaft auf die Schulter geklopft, "wüssten wir nicht, was hier alles so vorgeht."
Die Verhaftung des Journalisten ist in Zagreb Stadtgespräch. Sie fiel nicht zufällig auf den Beginn des Wahlkampfs in Kroatien. Sich gut kennen ist das Gegenteil von fair miteinander umgehen: Zagreb ist eine Schlangengrube. Als Premier
Ivo Sanader von der Verhaftung erfuhr, ließ er
Peratovic sofort frei. Ein Journalist im Gefängnis hätte dem wahlkämpfenden Premier im In- und Ausland schwer geschadet, meinen Kenner der Szene.
Hinter seiner mysteriösen Verhaftung vermutet Peratovic den Machtkampf zwischen dem Premier und Staatspräsident
Stipe Mesic. Der Enthüllungsjournalist attackiert die Szene um Mesic
seit Jahren und nimmt auch regelmäßig Geheimdienstkreise ins Visier. Er konfrontierte die Kroaten mit detaillierten Berichten über ein Massaker an Serben in Gospic.
Peratovic bekam einen Preis von "Reporter ohne Grenzen". Einander kennen heißt einander gewähren lassen, wenigstens solange die Ruhe hält. Sein Informant wurde ermordet. Aber als
Peratovic weiter nachlegen wollte, wurde auch der Journalist unbequem. Seit bald zwei Jahren ist der 41-Jährige arbeitslos und versorgt sein Publikum mit einem Blog im Internet – von Kollegen ebenso fleißig kopiert wie ungern zitiert.
Präsident
Mesic hat indes seine Präferenz für eine große Koalition erkennen lassen – um das Land für Europa vorzubereiten, wie es heißt. So europäisch, dass man parlamentarische Kontrolle und offenen Streit um Sach- und Personalfragen einführen wollte, mag man nun doch wieder nicht werden.
(
Norbert Mappes-Niediek aus Zagreb/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.11.2007)