Schmidt-Eenboom im Interview
Die BND-Kamera war in der Auto-Sonnenblende
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat eingestanden, den Publizisten und Wissenschaftler
Erich Schmidt-Eenboom beschattet zu haben. Tagesschau.de sprach mit dem Buchautoren, der im bayerischen Weilheim das Institut für Friedenspolitik leitet und sich seit Jahren mit dem BND und anderen Geheimdiensten der Welt intensiv befasst.
tagesschau.de: Herr
Schmidt-Eenboom, was ist Ihnen mit dem BND passiert?
Erich Schmidt-Eenboom: Ausgangspunkt war mein Buch "Schnüffler ohne Nase", das im Juni 1993 erschien und sehr viele Informationen aus Geheimbereichen des Bundesnachrichtendienstes enthielt. In einem anschließenden Prozess gegen den BND-Oberst Baltutis versicherte ich an Eides statt, dass ich zwei Quellen im BND habe. Das war offensichtlich Anlass genug für die Sicherheitsabteilung des BND. Sie beantragte beim damaligen Präsidenten des Dienstes, Konrad Porzner, Maßnahmen gegen mich.
tagesschau.de: Wie sahen diese Maßnahmen aus?
Schmidt-Eenboom: Es wurden Kameras auf den Eingang des Instituts für Friedenspolitik ausgerichtet, um festzustellen, wer sich unter meinen Besuchern im Institut befindet. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ging der stellvertretende Leiter des Observationskommandos zur Weilheimer Kriminalpolizei und gab sich als Mitarbeiter des Landeskriminalamts aus. Ein örtliches Textilhaus stellte dem vermeintlichen LKA-Mann daraufhin einen Raum zur Verfügung, in dem Überwachungstechnik untergebracht wurde. Dann wurde auf dem Parkplatz gegenüber des Instituts ein Auto abgestellt, in dessen Sonnenblende eine Kamera installiert war und die Aufnahmen in den zur Verfügung gestellten Raum sendete. Und so wurden ich und alle Besucher des Instituts über Monate observiert.
tagesschau.de: Wie sind Sie auf die Überwachung des BND aufmerksam geworden?
Schmidt-Eenboom: Ich hatte bereits damals entsprechende Ahnungen, weil Mitarbeiter des BND, die tatsächlich mit mir reden wollten, sehr konspirativ Kontakt aufnahmen. Sie sprachen mich beispielsweise im Supermarkt an und legten immer großen Wert darauf, dass keine Telekommunikation und keine Treffen im Umfeld des Instituts statt fanden. Die haben also einen gewissen Eindruck von den Methoden ihrer Behörde gehabt. Gesicherte Erkenntnisse habe ich erst mit zehnjähriger Verspätung gehabt. Zunächst gab mir ein von Gewissensbissen geplagter Tatbeteiligter, später auch andere, Detailinformationen über diese Operation des BND.
tagesschau.de: Verstieß denn diese Aktion im Jahr 1994 gegen geltende Gesetze?
Schmidt-Eenboom: Der Bundesnachrichtendienst hat laut BND-Gesetz das Recht zur Gefahrenabwehr. Das bedeutet, dass es dem Dienst erlaubt ist, untreue BND-Mitarbeiter zu verfolgen. Er darf aber mit Sicherheit nicht Journalisten bespitzeln. Das ist absolut rechtswidrig.
tagesschau.de: Aber Paragraph 2 des BND-Gesetzes erwähnt neben dem Schutz der Mitarbeiter auch den Schutz von Einrichtungen, Gegenständen und Quellen gegen sicherheitsgefährdende Tätigkeiten. Deckt das nicht die BND-Operation gegen Sie mit ab?
Schmidt-Eenboom: Nein, das ist damit nicht gedeckt, darin sind sich alle Juristen, die ich gefragt habe, einig. Der BND darf seine Einrichtungen schützen. Andernfalls hieße das ja, dass der BND jede Redaktion vorsorglich mit Observationskameras erfassen dürfte, nur aus der reinen Vermutung heraus, dass ein ehemaliger oder aktiver BND-Mitarbeiter dort auftauchen könnte. Das wäre aber eine starke Einschränkung der Pressefreiheit. Denn die so genannte Vierte Gewalt ist natürlich auf redselige Insider angewiesen, die die Presse über unhaltbare Zustände in Institutionen aller Art informieren.
tagesschau.de: Was für Konsequenzen wollen Sie denn aus dem Vorfall ziehen?
Schmidt-Eenboom: Der jetzige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, hat mir ein klärendes Gespräch in Berlin abgeboten. Ich werde dieses Angebot noch im November wahrnehmen und ich bin gespannt, ob der Bundesnachrichtendienst sich inzwischen zur Rechtswidrigkeit seines damaligen Handelns bekennt und ob Konsequenzen daraus gezogen werden.
tagesschau.de: Würden Sie denn, falls der BND Ihren Erwartungen nicht entspricht, auch juristische Wege beschreiten wollen?
Schmidt-Eenboom: Dann muss man eine gerichtliche Klärung im Interesse des gesamten Journalismus herbeiführen. Die Straftatbestände sind zwar verjährt, aber man kann über eine Unterlassungserklärung verlangen, dass so etwas künftig nicht mehr vorkommt. Das kann der BND dann unterschreiben. Wenn er die Erklärung nicht unterschreibt, dann muss ein Gericht darüber urteilen. Und vor Gericht werden natürlich die Anlässe für die geforderte Unterlassung ausführlich dargelegt.
Die Fragen stellte
Alexander Richter, tagesschau.de
Stand: 23.11.2005 14:36 Uhr